
Der Schock traf mich beim Frühstück: Die AZ schreibt, München sei zur kinderfreundlichsten Stadt gekürt worden und erhält den Deutschen Kinderpreis.
Stopp, zurück.. München? Mein München? Isarmetropole, Medienmoloch, Hauptstadt der Singles, Yuppies und Lifestylejunkies? Nein, das ist kein Scherz. Die Preisverleihung fand am Wochenende in Köln statt. Hätten sich die Juroren einmal über den Weißwurstäquator getraut, wäre ihnen ein solcher Lapsus nicht passiert. Wo bitte sind all die Krippenplätze, die Mutter-Kind-Parkplätze, die Familienkarten, die günstigen Wohnungen - kurz das Familienparadies??? Irgendwo, aber sicher nicht in München.
Seit dem Frühstück lässt es mich nun nicht mehr los: Was bitte macht eine Stadt kinderfreundlich? Vielleicht sollte man einmal die Kinder fragen.
Mein kleiner Tyrannosaurus Quecks legt Wert auf Selbstständigkeit. "ALLEINE" lautet der morgendliche Schlachtruf. Städteplanerisch betrachtet würde ich das wie folgt übersetzen: Kinder brauchen Frei- Räume. Schwierig in einer Stadt, in der der bebaute Quadratmeterpreis bei rund 4000 Euro liegt. Da wird Platz zum Spielen, Toben und sich ausleben schnell zum Luxus. Also kehren immer mehr Eltern dem kinderfreundlichen München den Rücken und ziehen raus - aufs Land.
Umfangreiche Nachforschungen meinerseits haben ergeben: Kinder legen Wert auf Mobilität.
Meine Tochter artikulierte bereits mit neun Monaten das Wort "Audo" - immerhin noch zwei Monate bevor sie erstmalig ihren Papa namentlich ansprach. Mobil sein mit Kind im öffentlichen Nahverkehr in München heißt jedoch vor allen Dingen eines: Viel Zeit haben. Wer schon einmal versucht hat, mit dem Kinderwagen die in zwei Richtungen befahrbare Rolltreppe zu nehmen, der weiß wovon ich spreche. Unten angekommen, dröhnt einem schon die schleppende Stimme des Zugführers entgegen: Zusteigen bitte. Jetzt nur keine Zehntelsekunde verlieren. Einzige Strategie: sich todesmutig in die zuschnappenden Türen zu werfen - Rücksichtnahme Fehlanzeige.
Ich fahre nun übrigens häufiger mit dem "Audo"... vielleicht hatte meine Tochter das ohnehin im Sinn.
Und schließlich - ganz wichtig - Kinder wollen Freizeitangebote. Städteplanerisch betrachtet würde ich sagen, Spielplätze, Schwimmhallen und eine Reihe Restaurants und Cafés, in denen nicht nur Kinderwägen sondern auch Bobbycars erlaubt sind. Leider fehlt es in der kinderfreundlichen Stadt Deutschlands schon an ersterem. So bin ich schon aus einem hippen Sushi-Laden Am Platzl herauskomplimetiert worden, da mein Buggy zu viel Platz wegnähme...(Ich habe übrigens ein Vermögen für den platzsparendsten Buggy ausgegeben, den es derzeit gibt, um die Verärgerung meiner Mitbürgerinnen und Mitbürger nicht noch mehr herauszufordern). Sollte jemand von einem Tarnkappenbuggy erfahren, bitte sofort an mich mailen....
Alles in allem betrachtet hat München sicherlich einen Preis verdient. Von Kindern wird der aber sicherlich nicht kommen. Die Eltern haben übrigens schon entschieden: Über ein Viertel findet einer Forsa-Umfrage zufolge die Landeshauptstadt für nicht kinderfreundlich.
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